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Rad oder Auto - das ist kein Glaubenskrieg!

Radfahren ist so oft die naheliegendste Art, sich im Alltag fortzubewegen. Vor allem im urbanen Raum und auf allen kurzen Wegen, sagen wir unter 5km, meist sogar mehr.

Kurze Wege mit dem Rad zu fahren schont die Nerven, ist günstig, schnell, leise und stärkt sogar den Innenstadthandel. Dennoch nutzen in Österreich nur weniger als 10% der Bevölkerung das Fahrrad als Hauptverkehrsmittel. (Quelle: VCÖ)

Warum ist das so? Und wie können wir uns alle dazu bewegen, diese kurzen Wege alltäglich mit dem Zweirad zurückzulegen? Dazu hat Brita Piovesan jahrelang Selbstversuche gemacht, Erfahrungen gesammelt und ihre Gedanken für zwei Vorträge bei der FahrRad Beratung Oberösterreich zusammengefasst. Hier ein Auszug:

Jeden Tag mit dem Rad unterwegs: Brita Piovesan und ihr Sohn flott auf dem Weg zum Fußballtraining - natürlich mit dem Lastenrad. Bild: Volker Weihbold/ OÖN


Der Hebel liegt in der Kommunikation.


Das Zweirad ist ein ernst zu nehmendes Verkehrsmittel, für jedes Alter und beinahe jede Situation. Wahrscheinlich ist es sogar das Fortbewegungsmittel der Wahl für fast alle kurzen und dafür geeigneten Wege. Damit das auch ankommt, wo es ankommen soll, braucht es neue Zugänge in der Kommunikation. So braucht es eine präzise(re) und deutliche(re) Sprache und neue Worte, um in der Debatte ums Radfahren weiterzukommen. Auch neue Argumente und Aufklärung durch "große" Player sind notwendig, um die Gruppe der Menschen, die wir erreichen wollen, zu vergrößern. "Und ich habe die Erfahrung gemacht, dass das Rad (und das Auto) ideologisch überfrachtet sind. Davon sollten wir wegkommen und versachlichen, damit die Türen bei unseren Adressaten nicht so schnell zugehen." so Piovesan.


"Hier die meines Erachtens vier wesentlichen Hebel in der Kommunikation an denen es gilt zu arbeiten."

Neue Begriffe prägen, weniger Ideologie in der Debatte, breit aufklären und Reden übers Radfahren.


1. Die Sprache prägen und positiv kommunizieren

Die Art und Weise, wie wir über das Radfahren sprechen, beeinflusst die Wahrnehmung und Einstellung der Menschen. Und auch unser Denken und Tun. Es beginnt mit der Verwendung der richtigen Begriffe: Wir müssen alles rund ums Alltagsradeln besser definieren und positionieren. Radfahren ist nicht gleich Freizeit, Sportradeln oder Mountainbiken. Es geht um die tägliche Nutzung des Fahrrads in der Stadt, auf unseren Alltagswegen und wenn die Situation es erlaubt. Darum sollten wir auch die Begriffe verfeinern, um Missverständnisse zu vermeiden und unsere Botschaften effektiver zu transportieren. Auch, um alle Menschen - egal ob Pensionistin oder Jugendlicher - zu erreichen.


So ist es interessant und vielsagend, dass wenn man "Radfahren" googelt, fast nur Bilder auftauchen, die mit Sport und Urlaub zu tun haben. Sucht man nach "Radfahren Österreich" ist es beinahe genauso. Mit "Radfahren Holland" tauchen dann sofort ganz andere Bilder auf, die viel mehr mit dem Radeln im Alltag zu tun haben. Holland hat es längst geschafft das Rad in den täglichen Gebrauch zu integrieren.


Begriffe erobern: Wer sagt, dass Pendeln nur fürs Auto gedacht ist? Zum Beispiel: Wer sagt eigentlich, dass "Pendeln" nur mit dem Auto (oder mit dem Zug) funktioniert? Um in Zukunft für unsere täglichen Wege und wenn möglich das Pendeln auch ans Rad zu denken, müssen wir auch "neue" Begriffe prägen. Also Jobradeln, Radpendeln, zum Einkaufen radeln usw.

Ein gutes Beispiel dafür scheint mir übrigens der Begriff "Heimat" zu sein, der von Alexander van der Bellen im Wahlkampf 2022 ganz gezielt neu besetzt wurde. Er hat diesen eigentlich schönen Begriff somit nicht den rechten und konservativen Kräften überlassen, sondern neu gedeutet, offener, vielleicht ökologischer. In diesem Sinne könnten wir auch das "Pendeln" mit dem Rad und das Radeln zum Job, in die Schule und zum Einkaufen sprachlich neu positionieren und auch das Wort "Zweirad" (im Unterschied zum "Vierrad" oder Dreirad :-)) wieder in unsere Alltagssprache einbauen, wo es geht.


Auch der FC Freiburg hat das erfolgreich gemacht. Das Rad und zum-Stadion-mit-dem-Rad ist Teil der CI und Sprache des Clubs geworden. Das könnten wir in Linz und Oberösterreich beim Fußball ebenfalls tun:

Der SC Freiburg fährt Rad. Ein Paradebeispiel, wie ein Fußballclub seine Fans zum Radfahren ins Stadion bewegen will, bzw. es selbst vorlebt. Auch im Sachen Sportsponsoring interessant. ->Youtube Link


Ich bin auch selbst ständig am Ausprobieren. So versuche ich möglichst mit aktiven Verben zu sprechen. Anstatt "Ich bin Radfahrer:in" (was ja so nicht stimmt und suggeriert, ich würde nur Rad fahren) "fahre ich mit dem Rad ins Kino". Oder: Warum hängen wir nicht an das Rad auch ständig ein Adjektiv dran. Zum Beispiel "das kleine Rad" oder das "schnelle Rad" oder "mein cooles Rad" oder noch vielleicht noch besser "ich fahre noch schnell mit meinem Rad", oder so.


2. Entideologisieren: Pragmatisch ans Thema herangehen

Radfahren und Autofahren sind kein Glaubenskrieg. Sicher nicht. Auch wenn es manchmal so scheint - in den sozialen Medien oder in der täglichen Debatte. Beide, das Rad und der PKW haben ihren Platz und ihre Vorteile. Anstatt die zwei also gegeneinander auszuspielen und so zu tun, als wäre es ein Entweder-oder, geht es darum, städtische (oder dörfliche) Mobilität neu zu denken und zu gestalten. Es geht darum, gesellschaftliche, ökologische und stadtentwicklerische Herausforderungen (und da ist unsere Mobilität ein wesentlicher Hebel) gemeinsam zu bewältigen.


Radmobilität "entgrünen"

So wird das Fahrrad aktuell noch zu oft von den "linken" und "grünen" Kräften für ihr Narrativ genutzt (Stichwort: Ökothema) und somit ideologisch besetzt. Für die Rechten und Konservativen ist das Rad im Gegensatz dazu (und vielleicht sogar weil es so "grün" ist) oft ein Feindbild.

Beides bringt uns in der Sache aber nicht voran, blockiert sogar den Fortschritt. Alleine wenn das Radfahren im Alltag nicht immer von denselben Gruppen sondern über verschiedene Lager hinweg und aus der breiten "Mitte" gepusht werden würde, wäre das schon ein großer Gewinn. Rein fachlich müsste es mittlerweile vollkommen klar sein, dass ein höherer Anteil der mit dem Rad zurückgelegten Wege (Modal Split) gut für Städte, Ballungsräume und Dörfer und insgesamt für unsere Wirtschaftsstandorte ist.


Entideologisieren funktioniert übrigens gut über Kampagnen.

Eine, die unterschiedliche Zielgruppen und Themen anspricht ist folgende:

Es geht auch darum, die positiven Effekte des Radfahrens hervorzuheben und klar zu erklären was so gut daran ist - ganz sachlich:

  • Das Radfahren bringt volkswirtschaftliche Vorteile, indem es Platz spart, somit Straßen entlastet und Stau reduziert.

  • Alltagsradeln und E-Bikes verbessern die Lebensqualität und haben positive Auswirkungen auf das Klima.

  • Radfahren ist billig, leise und bequem.

  • Es stärkt den Innenstadthandel. Nicht umgekehrt. Zig Studien beweisen das.

  • E-Bikes sind der Gamechanger schlechthin. Was bisher 5km waren, sind plötzlich 10. Auch fallen viele Ausreden weg: Man schwitzt nicht mehr beim Radfahren, es ist weniger anstrengend und im Vergleich zu einem Auto auch erschwinglich und günstiger in der Erhaltung.


Radfahren und Autofahren sind zu stark ideologisch aufgeladen. Das schadet dem Fortschritt in Richtung Mobilitäts- und Verkehrswende. Ein Appell an alle: einen "Ideologie-Sensor" einbauen.


3. Aufklärung leisten: Sagen worum es geht.

Aus meiner Erfahrung braucht es eine echte Renaissance, also Aufklärung in der Debatte um Mobilität. So wird das Auto von vielen politischen Entscheidungsträger:innen immer noch als unverzichtbar dargestellt, das Rad als ernsthaftes Verkehrsmittel aber nicht erklärt. Um das zu tun braucht es Aufklärung. Auch und vor allem durch die großen politischen Player!


Dieses Aufklären, das Erklären, warum das Rad Sinn macht (und gefördert werden soltle), können nicht immer nur die "Kleinen" und die "Idealisten" übernehmen, das müssen auch die "Großen" machen. Denn neben dem vielgepriesenen Umweltgedanken und der Luftqualität geht es doch viel mehr um den eigentlichen Vorteil: den geringen Platzverbrauch. Das Rad ist klein, leicht und hocheffizient. Es geht also um eine "Platzdebatte", geringeren Stau und die damit einhergehende Stärkung des Wirtschaftsstandortes. Das Rad ist aber nicht nur platzsparend, sondern fördert auch den Innenstadthandel, schont die öffentliche Kasse und steigert die Lebensqualität im Ort/ in der Stadt. Das wiederum zieht kluge Köpfe an und hält die Mittelschicht in der Stadt, die heute und in den letzten Jahren viel zu oft (mit der Familie und den Kindern) ins "Grüne", in den Speckgürtel geflüchtet ist, um dann wieder herein zu pendeln!


Indem wir den platzraubenden, ruhenden Verkehr (Knoflacher spricht nicht umsonst von "Stehzeug") auf den Straßen reduzieren, schaffen wir Platz für Aufenthaltsqualität, echte Bäume und natürlich Radwege.


Also: Wenn wir wirklich den Modal Split deutlich erhöhen wollen, müssen die, die die Erklärungsmacht haben, endlich auch aufklären - sonst laufen viele Bemühungen Einzelner ins Leere. Und sind wir doch ehrlich: es geht auch darum, uns vom Auto und lieb gewonnenen Gewohnheiten regelrecht zu entwöhnen.


4. Reden übers Radfahren: Mit allen und überall

Die Kommunikation über das Radfahren sollte auf verschiedenen Kanälen und mit unterschiedlichen Personen erfolgen. Radbeauftragte und alle, die sich fürs Radfahren im Alltag engagieren, sollten eng mit Medien, Politikern, Radfahrer:innen selbst und der Gemeinschaft zusammenarbeiten, um die Botschaft zu verbreiten.


a) Reden mit Journalisten:

Es hat sich bewährt, einen guten Draht zu Journalisten zu haben. Also: "radeln" sie die lokalen Journalisten ab und holen sie sie ins Boot. Journalisten sind Mitstreiter:innen, die in gewisser Regelmäßigkeit über das Radfahren berichten können. Schicken Sie alle paar Wochen einen Bericht über eine Ausfahrt oder eine Verbesserung in der Gemeinde an die Medien. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass diese gerne Artikel über Testimonials, Veranstaltungen oder Reiseberichte bringen. Medien prägen auch gleich noch die Sprache, siehe oben.

b) Reden mit allen politischen Fraktionen:

Das Ziel sollte sein, über die politischen Lager hinweg einen Konsens zu finden, vielleicht sogar so etwas wie einen Pakt fürs Radfahren im Alltag zu fassen. In diesem Zusammenhang: Bitte das Alltagsradeln nicht zur ideologischen Kampfzone und für parteipolitisches Kleingeld missbrauchen.

c) Reden in moderierten Gruppen:

Über die sozialen Medien kann man moderierte Gruppen schaffen, in denen sich Interessierte austauschen können. Dort holt man sich Ideen und Insights zum Thema Radfahren von Insidern und Praktikern. Dort werden niederschwellig Dinge gemeldet (Parken auf Radwegen, Schlaglöcher….). Auf diese sollte man reagieren und diese ernst nehmen. Radfahrbeauftragte sollten in diesen Gruppen sein, um sich Ideen zu holen und auch, weil sie oft einen direkten Draht zur Politik haben.


d) Reden mit Radfahrer:innen: Leute ansprechen und Vorbilder identifizieren.

Eine Idee ist, Mütter anzusprechen, die täglich ihre Kinder mit dem Fahrrad in den Kindergarten bringen und dabei über den Hauptplatz fahren. Diese engagierten Mütter könnten aktiv eingeladen werden, an Gemeindetreffen und Fahrradtagen teilzunehmen. Dabei ist es wichtig, einen offenen und einladenden Raum zu schaffen, in dem Mitstreiterinnen und Mitstreiter herzlich willkommen sind. Dieser Ansatz, oft als "Art of Hosting" bezeichnet, zielt darauf ab, Menschen aktiv in die Gemeinschaft einzubinden und einen sicheren Raum für den Austausch zu schaffen. Hierbei setzen wir auf einen bottom-up-Ansatz, bei dem wir die Samen für positive Veränderungen in unserer Gemeinde säen.


e) Reden übers Radfahren: Menschen lernen durch Vorbilder.

Durch das Erzählen, die Vorbildwirkung und die Erfahrungen, die man weitergibt, kann man Leute dazu bewegen, mehr mit dem Rad zu fahren, ein Fahrrad zu kaufen oder es mehr im Alltag für kurze und sinnvolle Wege zu nutzen. Bei jeder Gelegenheit übers Radfahren zu reden, macht Spaß und steckt andere an.

Testimonial fürs Alltagsradeln in den OÖN, vom 16. April 2023 -> Link

 

Brita Piovesan ist passionierte Radfahrerin, vielleicht sogar die Alltagsradlerin schlechthin. In den letzten vier Jahren ist sie über 17.000 Kilometer ausschließlich mit dem E-Lastenrad gefahren. Das entspricht etwa der Hälfte der Strecke um die Erde (Erdumfang 40.000 km) - eine beeindruckende Distanz.


Doch der Fuhrpark der Familie schließt auch andere Fahrzeuge ein: ein Auto, Roller, andere Räder, noch ein E-Lastenbike und das Klimaticket. Je nach Weg, Situation, Zeit, Wetter und Lust wird das "richtige" Vehikel verwendet - angepasst an die Situation und rein pragmatisch. Piovesan: "Aber ganz grundsätzlich habe ich im hektischen Alltag keine Zeit zum Autofahren, auf den Bus warten, im Stau stecken oder Parkplatz suchen. Am praktischsten ist das Rad für mich. Und ich weiß, dass ich damit nicht alleine bin."



Fuhrpark der Familie, 6 Räder, davon zwei E-Lastenbikes, ein Auto, mehrere Roller.



Medienberichte und Infos zum Thema:

30.11.2023, OÖN, print:






Autor:in: Brita Piovesan

17.10.2023

Lugers "Pitbull"

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