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Sind Sie leicht der Deitsche?

Zur Hochzeitsreise 1970 sind meine Eltern nach Wien gefahren, in einem weißen VW Käfer. Vor 50 Jahren war das noch eine Weltreise, aus dem Sauerland, wo ich aufgewachsen bin, sind das gut 900 km. Meine Eltern waren immer Österreich-Fans, man ist dort gern auf Urlaub gefahren, war doch vieles so viel anders als zuhause in Nordrhein-Westfalen.


Fast genau 40 Jahre später bin ich nach Österreich gezogen. Der Liebe halber. Es sollte damals bewusst Linz sein, nicht zuletzt, da hier meine Schwiegereltern wohnen. Viel mehr bin ich hier hingezogen, weil es so eine schöne Natur gibt, grüne Landschaften und in der Nähe wunderschöne Berge. Viele meiner Bekannten sagen immer noch: „Boah, Du lebst da, wo wir Urlaub machen“.


Ich erinnere mich noch ans Ankommen in Linz. Eine heiße Woche im August, unsere Wohnung mitten in der Stadt. Ich war sofort begeistert vom Südbahnhofmarkt, holte ich mir dort immer leckere Leberkässemmel zu Mittag. Schnell hatte ich auch ersten Kontakt zu hiesigen Handwerkern, vor allem zu einem lustigen Kammerjäger, der ein Wespennest vorm Schlafzimmerfenster entfernen musste. Das Verständnis gelang mir damals eher mit Händen und Füßen. Dachte ich mir bis dahin nichts über den Unterschied im „Deutsch-Sprechen“ (dabei hätte ich schon stutzig werden können, als ich die Freundinnen meiner heutigen Frau nicht richtig verstanden hatte).


Es hat nicht lange gedauert, bis mir aufgefallen war, dass hier vieles ganz anders heißt oder zumindest betont wird. Und dass man gewisse Sachen lieber nicht sagt (wie lecker, Stuhl, Treppe etc.).


Ah, ich bin ja Ausländer, ein "Deitscher"!

Und dann hat es doch noch mal viel länger gedauert, bis mir bewusstwurde, dass ich ja doch eigentlich Ausländer bin. Das muss man auch erst mal begreifen. Es ist wohl irgendwie die gleiche Sprache, aber irgendwie dann doch nicht. Und mir wurde schnell bewusst, dass Sprache trennen kann, man bekommt ein Gefühl des nicht Dazugehörens. Bewusst oder unbewusst.


Nicht selten hörte ich in Gesprächen den Satz „Sind Sie leicht der Deitsche?“. Das hörte sich für mich sehr hart und bisschen wie ein „Ausgesetzter“ an. Irgendwann habe ich dann auch mal gegoogelt, was eigentlich mit diesem „Cordoba“ genau gemeint ist. Übrigens eine Möglichkeit, sehr tief in die österreichische (Fußball-)Seele zu schauen (zugegeben, in Deutschland kennt dieses Ereignis eigentlich kaum jemand).


Mittlerweile sind viele Jahre ins Land gezogen, und ich mag Österreich und Linz sehr. Wenn man für sich erkennt, dass man ja doch ein „Zugereister“ mit anderem Dialekt ist. Und einfach viele Sachen ganz anders sind.


Als offener und interessierter Mensch habe ich mich auf die Suche gemacht, andere Menschen kennenzulernen. Von der Stadt Linz hatte ich damals beim Anmelden im Magistrat wohl eine Willkommensbroschüre mit diversen Gutscheinen erhalten, aber zum Ankommen, Andocken und Einheimisch kennenlernen, war mir das zu wenig. Meine Kontaktversuche mit dem Integrationsbeirat der Stadt Linz liefen leider auch nur ins Leere, dürfen dort nur im Verein organisierte Ausländer mitbestimmen. Dabei bin ich schon Moderator der „Piefke Connection (Upper) Austria“ (ist aber nur eine Social Media Gruppe und kein eingetragener Verein, schade).


Warum mache ich eigentlich den Job, den die Stadt Linz machen sollte?

Mit dieser „Piefke Connection (Upper) Austria“ mache ich ehrenamtlich eigentlich ein bisschen das, was die Stadt Linz auch machen müsste: Neu-Linzer*innen zeigen, wie es sich hier gut leben lässt, Infos zum Ankommen geben, Unterschiede erklären, die Menschen herzlich willkommen heißen, wenn erforderlich zB bei Behördengängen helfen.


Warum macht das eigentlich nicht die Stadt Linz selbst? Schließlich ist jede/r zehnte Linzer Bürger*in ein/e EU-Ausländer*in. Insgesamt hat sogar jede/r vierte Linzer Bürger*in einen Nicht-Österreichischen Pass.


Ich will "EU-Bürgermeister" werden!

Ich bin fest davon überzeugt, hier ginge viel mehr! Beispielsweise „City- oder Grätzel-Engel“, die diese Menschen an die Hand nehmen, das Gefühl des Dazugehörens geben (was der erste Kontakt mit der Linzer „Fremdenpolizei“ sicher nicht bestärkt). Den Alltag und die Besonderheiten erklären, Menschen ins gesellschaftliche Leben (z.B. Vereine) reinholen, gleich zu Beginn vermeiden, dass es zu möglichen Abkapselungen und kulturellen Nichtverstehens kommt.


Wir sollten ganz innovativ sein und einen eigenen „EU-Bürgermeister“ in Linz einführen, der sich ganz besonders um Integration kümmert (ganz egal ob EU- oder Nicht-EU Bürger*innen). Das würde den 25 Prozent Ausländern in Linz gleich eine eigene Stimme der Mitbestimmung geben (diese sind im Übrigen im aktuellen Gemeinderat noch völlig unterrepräsentiert!).


Sicher wären auch (nachbarschaftliche) Mikrokonflikte viel einfacher zu vermeiden. Kinder würden schneller Deutsch und auch vor allem Dialekt lernen. Ein leichterer Zugang zum Arbeitsmarkt wäre somit möglich, brauchen wir doch auch dringend Fachkräfte (vor allem im Lehrlings- und IT-Bereich herrscht derzeit sehr großer Mangel!). Auch im europäischen Ausland kann Linz dann damit werben und als attraktiver Lebensraum bekannt(er) werden.


Linz kann mit einem Schlag zu einem Ort der Begegnung auf Augenhöhe werden, in dem Menschen wieder mehr miteinander als übereinander reden. Da bin ich dann auch gerne der integrative Deitsche, wenn‘st manst oder gleich „EU-Bürgermeister“ 😊


Mehr über Christian findet ihr ->hier


Autorin: Linz+

20.7.2021





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