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Bissig im Kleinen - Zahnlos im Großen?

Postkarten aus den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts zeigen eine charmante Stadt, elegant, bürgerlich, pulsierend. Eine „Donauperle“ mit noblen Cafes, Hotels, Kaufhäusern, unzähligen Kirchen jeder Epoche und schönen öffentlichen Räumen. Ein „Kleinod“ mit wunderschönen Parkanlagen, Villen und Schlössern und herrlichen Baudenkmälern aller Art. Doch Linz baut darauf nicht auf, seit Jahrzehnten wird hemmungslos abgerissen.


Zerstörung Gründerzeit und Vorstadthäuser, im Sommer 2021


Erich Gusenbauer - In Linz verschwindet´s

Jetzt ist schon wieder was passiert… die einzigartige Villa Weinmeister am Pöstlingberg ist Geschichte!


„In Linz geboren, allein das ist ein fürchterlicher Gedanke.“, schrieb Thomas Bernhard 1988. So schlimm ist es dann doch nicht, aber als ich in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts nach Linz zog, war der Charme des Jahrhundertwende-Linz, mit seinem barockisierten, mittelalterlicher Kern, umgeben von Gründerzeitarchitektur, netten Plätzen, Parks und Grünanlagen, sagen wir höflich, „etwas verblasst“ und im Ruß der VOEST kaum erkennbar. Das sozialdemokratische Linz hatte sich in der Zwischenkriegszeit architektonisch in herausragenden öffentlichen Bauten, Schulen, Siedlungs- und Industriebauten und privaten Wohnhäusern manifestiert. Die 40er Jahre bleiben mit den „Hitlerbauten“, Mietwohnungsanlagen in Hofform in der ganzen Stadt erkenntlich. Mit der Wiederaufbauphase, der sogenannten Nachkriegsmoderne, entstanden sensationelle Bauten, schlicht in der Gesamterscheinung, aber überraschend elegant im Detail.


Villa Weinmeister, Pöstlingberg, Frühjahr 2022


Gleichzeitig begann man schon in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts mit dem Abriss stadtbildprägender Gebäude: Da verschwanden die Wollzeugfabrik, das Schloss Hagen, das Hotel Weinzinger, die Hatschekvilla, die Lagerbauten an der Donaulände oder der Volksgartensalon, um nur die prägnantesten zu nennen.


Von da an schwebte über Linz, einer Stadt mit unzähligen architektonischen Überraschungen, die Abrissbirne. In den Nachkriegsjahren wurden hemmungslos Opfer für die autogerechte Stadt gebracht und en gros ganze Häuserzeilen entsorgt. Am Demolieren für neue Autobahnen und Straßen hat man bis heute festgehalten, inzwischen sind es aber häufiger profitgierige Investoren, die sich der gebauten Vergangenheit entledigen und die neu geschaffenen Baugruben mit betongewordener Fantasielosigkeit und rechtlich maximalen Volumen (ist das noch Architektur?!) zu horrenden Kaufpreisen in erster Linie für Anleger füllen.


Aus Schmerz darüber dokumentiere ich seit Jahren in meinem „Online-Abrisskalender“ den Verlust an dieser historischen Bausubstanz in meiner Stadt. Auf der Liste „abgegangener Bauten“ befinden sich unzählige Gründerzeithäuser, Villen, ein Teil der Tabakfabrik, Jugendstilhäuser, die Eisenbahnbrücke, halbe Arbeitersiedlungen der 20er Jahre, die völlig intakte Anton Bruckner Universität, ein kürzlich saniertes Stadion und vermutlich bald sogar ein Teil der mittelalterlichen Stadtmauer im Salzstadel an der Donau… Bei all diesen Zerstörungen nimmt sich unsere Politik selbst aus dem Spiel, tut so, als seien ihr „die Hände gebunden“ und zeigt sich dabei hilflos und willfährig gegenüber egoistischen, ökonomischen Selbstoptimierern. Jenseits von „nachhaltig“ und „zukunftstauglich“ werden Immobilienspekulanten hofiert, Partikularinteressen gefördert, der Stadt wertvoller atmosphärischer Lebensraum geplündert und belanglose Bauwerke errichtet.


Aber nicht nur in vielen Straßen klaffen plötzlich Lücken, die Zerstörungen machen die Löcher im Denkmalschutz offenbar. Nicht der Schutz des kulturellen Erbes für die kommenden Generationen scheint Priorität zu haben, sondern Willfährigkeit gegenüber Investorenwünschen. Der Vernichtung intakter Bausubstanz zur Renditemaximierung stehen die amtlichen Denkmalschützer auffällig oft defensiv, mut- und zahnlos gegenüber. Es fehlt zudem an wirksamen Anreizen, Altbauten zu erhalten und zu sanieren, außerdem mangelt es dem Denkmalamt offenbar an einer adäquaten finanziellen Ausstattung. Auch steuerliche Anreize gibt es nicht, die im öffentlichen Interesse liegende Erhaltung stadtbildprägender Gebäude zu forcieren.


Konkret zum Sündenfall Villa Weinmeister: 1937-38 von Architekt Stephan Thiersch entworfen und errichtet, ist im Inneren mit Kunstwerken, Holzdecken und Kachelöfen von Jucunda-Wagner Weinmeister ausgestattet. Es gab keine baulichen Veränderungen, die originale Charakteristik der 30er Jahre ist gänzlich erhalten. Das ganze Haus hat eine lebendige Biografie und war Jahrzehnte Teil der Linzer Kultur- und Wirtschaftswelt. Wenn nun so ein Bauwerk zum Abschuss freigegeben wird, stelle ich mir die Frage, wozu der Denkmalschutz eigentlich noch da ist? Kommt der Denkmalschutz noch seiner eigentlichen Aufgabe nach, wenn ein völlig intaktes, historisch einzigartiges Gebäude der gierigen Verwertung und dem kurzfristigen Profit geopfert wird? Haben gerade das oberösterreichische Landeskonservatorat die Kompetenz und Führung, um unsere historischen Juwele verlässlich zu schützen?


Erich Gusenbauer, schreibt seit Jahren im Linzer Abrisskalender“ über den Verlust an dieser historischen Bausubstanz und ist LinzPLUS Solidaritätskandiat.


Erich Gusenbauers Abrisskalender zu finden auf Facebook


Mehr Beiträge zum Thema:

Infos über das Weinmeisterhaus vom 11.1.2022


Hier geht´s zum Update vom 26.1.2022 rund um das Haus Weinmeister:


Update vom 1.2.2022




Autor: Erich Gusenbauer

6.2.2022

Endspurt für Auhof

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