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Phase null für Linz

Was läuft schief in der Linzer Stadtentwicklung oder warum gibt es so wenige befriedigende, große Projekte? Und wie können wir endlich die städtischen Ziele, insbesondere die der Klimaneutralität und der Lebensqualität in unsere tägliche Planungspraxis integrieren? 

Stadtentwickler Lorenz Potocnik hat die letzte Budgetgemeinderatssitzung genutzt, um darüber zu sprechen. „Stimmt doch nicht“ kam es unmittelbar vom Planungsreferenten, „leider vollkommen richtig“ nur ein paar Stunden später, ebenfalls von roter Seite, hinter vorgehaltener Hand.  


Lorenz Potocnik bei seiner Ansprache im Gemeinderat


Zum Nachhören und -sehen ab Stunde 3:46


Hier zum Nachlesen, ungekürzt und ergänzt.

"Sehr geehrte Linzerinnen, liebe Kolleginnen, sehr geehrter Stadtsenat,


Schon aus Tradition spreche ich in diesem biederen Kapitel „Verwaltung“ über Stadtentwicklung. Diesmal über etwas, das mir vor ein paar Wochen, bei der letzten Sitzung des Beirats für Stadtgestaltung (am 20. November) ganz deutlich aufgefallen ist und von dem ich glaube, dass es relevant für unsere Stadt, für unseren Standort, unsere Entwicklung und unsere Finanzen ist. 


Das Wiener Planerteam hat das Projekt der Barmherzigen Schwestern, bzw. des Ordensklinikum präsentiert. Bereits zum zweiten Mal. Unter dem Titel ‚Operation Zukunft – Wir bauen um' wurde erklärt, was sie vorhaben. Das Projekt ist riesig. Über 220 Mio. € an öffentlichen Geldern sollen da investiert werden. 


Was schmerzhaft aufgefallen ist, egal von welchem Bereich gesprochen wurde, es mangelt an Platz. Das Projekt knirscht an jeder Ecke. Es wird um Meter und Zentimeter gefeilscht. Erker ‚müssen‘ für die OP-Säle in die Straße gebaut werden, riesige Bereich wandern unter irrem Aufwand unter die Straße, jede Lücke wird ausgefüllt, und trotzdem ist alles ganz, ganz knapp. 

Während der Beratung des Beirats, also am Gang, habe ich einen der Architekten meinen Eindruck geschildert und gefragt, ob sie denn nie an einen Hochpunkt gedacht hätten. Das würde Spielräume schaffen, besser für den Hubschrauber sein und insgesamt den Standort langfristig sichern. 


„Ja, das war unser erster Gedanke und Plan. Doch wir haben uns nicht getraut, wegen des Beirats hier und der nötigen Bebauungsplanänderung.“ 


Darauf habe ich gefragt, „ob denn da nie auf höchster Ebene strategisch gesprochen wurde?“ Er hat verneint.  


Das heißt also, die Planer:innen und das Krankenhaus sind - trotz der Größe und weitreichenden Folgen - mit der Stadt, dem Land und allen Beteiligten in keinen offenen Dialog getreten? Oder: Da wird eine Viertel-Milliarde investiert und die Planer und das Krankenhaus haben sich nicht getraut, größer und weiter zu denken, warum auch immer?


Mit dem Ergebnis, dass ein sündteures, höchst schwieriges Projekt realisiert wird, das dem Krankenhaus an diesem Standort wahrscheinlich einen 'Deckel' verpasst und so eine weitere langfristige Entwicklung erschwert.  


Das hat bei mir ein starkes Déjà-vu Erlebnis geschaffen. Ich erinnere an ein paar Projekte der letzten Jahre, ohne ins Detail zu gehen. 


  • Dynatrace: Ein Investor werkt dahin, kauft irgendein billiges Grundstück ohne leistungsfähige ÖV-Anbindung. Die Grösse des Grundstücks, die Widmung, der Bebauungsplan, die Nachbarschaft, alles passt nicht richtig, gerade für so einen dynamischen Betrieb. Strategisch ist es einfach kein geeigneter Ort für Dynatrace und für Linz. Es hätte viel bessere gegeben. Die Folgen haben wir alle miterlebt. Verzögerungen, Fehlplanungen, Schmerzen, trotzdem keine befriedigende Lösung. www.linzplus.at/post/rot-blau-und-schwarz-boxen-dynatrace-durch 

  • LASK Stadion und Pichlinger See: Auch der LASK wollte nur an ein billiges Grundstück. Darum in den Grüngürtel und ins defacto nicht angeschlossene Grünland. Der Rest wurde ausgeblendet. Die Stadt nicht involviert. Die Stadtspitze duckt sich in Folge weg. Nach einem zweijährigen Kraftakt engagierter Bürger:innen und kurz vor einer Volksbefragung sehen es dann doch alle ein, dass der gewünschte Standort in vielerlei Hinsicht nicht passt und hopp geht es zurück auf die Gugl. Doch auch für diesen Standort hat es keine strategischen Überlegungen gegeben. Das zeigen die Kollateralschäden und die Dauerschmerzen in Verbindung mit dem Stadionbetrieb im Wohngebiet. 

  • Swietelsky-Tiefgarage im Andreas Hofer Park. Erst nachdem es massiven Widerstand (2016 – 2019) gegen die Garage unter dem Park gab, hat der Milliardenkonzern angefangen einen passenden Standort zu suchen und gefunden. Ursprünglich wurde die Garage (mit Unterstützung der Stadtspitze) als existentiell für die Firma verkauft. Siehe www.linzplus.at/post/david-gegen-goliath 

  • Busparkplatz und Schiffe an der Donau: Es fehlt der strategische Part, ein umfassendes Bild und eine Vision für den ganzen Linzer Donauraum. Gäbe es diese, würde niemand auf die Idee kommen, dort die Zufahrt für die Busse zu erleichtern und somit die Aufenthaltsqualität am Ufer zu schädigen. www.linzplus.at/post/ernst-koref-promenade-busparkplatz 

  • Froschberg Sanierung und Aufstockung EBS-Siedlung. Fast 500 Wohnungen im Bestand. 316 neu. Am Ende 754 Wohnungen und rund 2000 Menschen. Insgesamt 50.000 Wohnnutzfläche. Knapp 400 Stellplätze in Form von eingeschossigen Tiefgaragen, die sich dort in den Freiraum graben und somit wichtigen gewachsenen Boden zerstören. Das führt zu Widerstand und wirft das Projekt zurück. Perfekt und aufgelegt wäre dort – stattdessen - eine Quartiersgarage, zum Beispiel beim Parkplatz der TIPS-Arena. Dann könnten wir uns die Tiefgaragen und die negativen Nebenwirkungen ersparen. Die Sammelgarage wäre noch dazu viel billiger und städtebaulich von Vorteil. Trotz sehr langem Projekt-Vorlauf gab es offenbar keine gesamtstädtische, strategische Arbeit insbesondere in Bezug auf die Mobilität. (weiterführend: www.linzplus.at/post/nachverdichtung_froschberg_garagen_weg)

  • JKU IT:U: Im Grüngürtel und Grünland, ganz klar über die Siedlungsgrenze hinaus, soll die neue Digital-TU gebaut werden. Die Topografie ist schwierig, unterschätzen Sie nicht den großen Höhenunterschied dort, der einem guten Funktionieren des Campus entgegensteht. Auch der ÖV ist alles andere als optimal und die Anbindung wird sich auch die nächsten 10 – 15 Jahre, wenn überhaupt, nicht wesentlich verändern. Das heißt, dass wir trotz Klimahauptstadt und ambitionierten Zielen eigentlich genau das Gegenteil tun, was nötig wäre. Wir zerstören 5-7 Hektar Ackerfläche, obwohl es mit Sicherheit bessere Standorte für diese Universität gäbe. www.linzplus.at/post/standortdigitaluni-radikal-hinterfragen 

Was haben alle diese Projekte gemeinsam? 

Es gab keine echte Phase 0. Wir haben ein Problem bei der Phase 0. Linz muss an der Phase 0 arbeiten. Ohne Phase 0 gibt es keine gute Stadtentwicklung.  


Was ist diese Phase 0? 

Es ist die wichtigste Projektphase. Die, die ganz am Anfang steht. Wo oft noch nicht einmal klar ist, was das Ziel, was der Bedarf und wer zuständig ist oder wer bezahlt. In dieser Phase werden aber die Weichen gestellt und die großen, strategischen Überlegungen gemacht. 


In dieser Phase – also ganz am Anfang - müssen die Dinge gemeinsam gedacht werden. Hier geht es um die Analyse des Potentials, bevor man überhaupt überlegt, was man macht. Rahmenbedingungen werden abgesteckt, Möglichkeiten geprüft. Es ist kein Entwurf.


Die Phase 0 ist eine Methode zur Erfassung von komplexen Aufgaben. So werden - bevor geplant wird - wesentliche Fragestellungen verdichtet und gedeutet. In dieser Phase 0 ist der frühzeitige Dialog zwischen allen betroffenen und entscheidenden Akteuren in der Stadt wichtig.  


„Phase 0 heißt also auch, alle, die an der Bewältigung der Aufgabe mitwirken (könnten), frühzeitig einzubeziehen. Nur so kann gemeinsam ermittelt werden, welche Korridore für Lösungswege offenstünden und welche erst geöffnet werden müssten – und mit wem dies möglich gemacht werden kann. In der Regel geschieht das in einer Vielfalt von Einzelgesprächen und Abstimmungsrunden. Im Idealfall aber findet man auch Möglichkeiten, diese Pluralität von Zugängen und Potenzialen in entsprechenden Formen für alle sichtbar zu machen. So kann aus den gemeinsamen Erörterungen noch ein anderer „Spirit“ entstehen: Die Idee von einer Aufgabe, die man gemeinsam angeht“, sagt Klaus Selle, emeritierter Professor für Stadtentwicklung und Planungstheorie der RWTH Aachen und Gründer des Büros NetzwerkStadt in seinem Essay „We must not to simply begin“,


bknw_magazin_nr_2_phase_0-1
.pdf
Download PDF • 7.34MB

Download: Warum eine Phase 0 unverzichtbar ist in Baukultur Nordrhein-Westfalen, Nr 2, Februar 2022. 


In derselben Publikation ziehen Miriam Habe und Florian Kluge, beide von der Hochschule in Alanus, Institut für Prozessarchitektur, Fazit: „Die Phase 0 begegnet den dynamischen Stadtentwicklungsprozessen auf neue Weise: Sie kann Themen, Fragen und Wünsche aufspüren, Menschen zusammenbringen und Dialoge eröffnen, Räume erschließen und Nutzungen erproben, den eigenen Blick ändern und gemeinsam Lösungen suchen. Sie dient dazu, gemeinsam herauszufinden, was passend erscheint und gewünscht ist, bevor unwiderrufbare Tatsachen geschaffen werden. Sie kann zu ungeahnten Lösungen führen, die es danach zu justieren und weiterzuentwickeln gilt.“ und weiter: „Eine solche Forschungsphase muss man sich – müssen wir uns als Stadt- leisten wollen, denn ja, sie kostet Geld. Und es ist nicht immer klar, wer hier bezahlt. Aber am Ende macht sie sich bezahlt. Denn die gefundenen Lösungen sind in der Regel passgenau und breit getragen.“ 


Im Frühjahr 2024 werde ich einen entsprechenden Antrag im Linzer Gemeinderat einbringen. Ziel wird sein, diese Phase 0 als Stadt aktiver in unsere Planungstätigkeit und Stadtentwicklung einfließen zu lassen. Wie das genau möglich ist, weiß ich noch nicht. 

Auf jeden Fall muss die Stadt in dieser frühen Phase viel aktiver werden. Wer, wenn nicht die Stadt, muss hier in den Lead gehen und wie immer für die Kompetenz, den Weitblick und den richtigen Rahmen sorgen, dass diese Phase 0 entsprechend stattfindet. Gerade heute, wo es darum geht, unsere städtischen Ziele, die z.T neu und drängend sind, in die tägliche Praxis zu integrieren und neues Wissen und Innovationen, z.B. im sozialen Wohnbau, ebenfalls in die Tat umzusetzen.


Dafür brauchen wir die Phase 0, als neue Denkweise, ganz am Anfang von wichtigen Projekten."


Autorin: Linzplus, Lorenz Potocnik


15.12.2023

Lugers "Pitbull"

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