Unsere Gemeinderätin Renate Pühringer ist sehr erfahrene Pflegerin. Sie weiß genau was fehlt, wie die Realität da draußen ist und was es bräuchte. Die Lösungen sind da, es ist nicht so kompliziert. Lesen oder hören Sie selbst. Genau dafür ist Renate angetreten und wird die nächsten Jahre alles geben, um die Situation in Linz zu verbessern!
Renate Pühringer fordert Lösungen für die Pflege
Rede Renate Pühringer - zur Pflege
"Ich bin Pflegerin. Seit ein paar Jahren ist es in meinem Krankenhaus Standard, dass jeder Mensch, der ins Krankenhaus aufgenommen wird, zum Thema "Ernährung" befragt wird.
Dieses "Screening" wird durchgeführt, um schnell zu entdecken, ob - insbesondere alte - Menschen schlecht ernährt oder womöglich sogar unterernährt sind.
Das Pflegepersonal reagiert damit auf eine Entwicklung, die direkt mit der Alterung der Gesellschaft zusammenhängt: Die Menschen werden immer älter. Und sie werden immer öfter alleine alt. Diese Menschen, die im Alter alleine leben, fühlen sich auch meist einsam.
Sie werden depressiv, nehmen am sozialen Leben kaum mehr teil. Sie gehen kaum mehr einkaufen. Sie haben keine Freude mehr am Essen und kochen sich nicht mehr selbst.
Sie nehmen ab. Sie verlieren Muskelmasse. Sie werden hinfällig. Sie stürzen, verletzen sich und kommen zu uns ins Krankenhaus.
Am Endpunkt dieser fatalen Kausalkette also stellen wir fest, dass es schon lange Probleme gab, bevor der Mensch bei uns im Krankenhaus angekommen ist.
Die Einsamkeit im Alter hat wieder ein Opfer gefordert. Dieses Opfer kann nicht mehr zu Hause versorgt werden und muss in ein Heim.
Als Pflegeperson, die in den Seniorenzentren Linz gearbeitet hat, habe ich immer wieder solche Einsamkeits-Opfer zu betreuen gehabt. Diese Menschen kamen äußerlich und seelisch verwahrlost in unsere Obhut. Wir haben ihnen einen geregelten Tagesablauf geboten. Von einem freundlichen "Guten Morgen!" über ein "Mahlzeit" und ein "Jetzt aber mal ein Kaffetscherl, goi?" bis zum "Schlafen Sie gut!" waren sie in eine fast familiäre Struktur eingebunden.
Und siehe da: Viele dieser Menschen sind wieder aufgeblüht.
Im Grunde hätten sie nicht im Heim leben müssen.
Wir wissen also: Einsamkeit macht krank. Wir wissen auch: Fast ein Drittel der über 70jährigen Menschen lebt (oft ungewollt) alleine.
Linz, wir haben ein Problem!
Einsamkeit ist kein individuelles Schicksal. Einsamkeit ist ein Zeichen unserer Zeit. Einsamkeit ist in Zeiten einer alternden Gesellschaft ein Massenphänomen, dessen wir uns annehmen müssen.
Wir können in Zukunft nicht alle alten Menschen in den Linzer Heimen betreuen. Wir haben nicht die Plätze, wir haben nicht das Personal, wir haben nicht die finanziellen Mittel. Wir müssen uns da was Besseres überlegen. Was können wir also als Stadt tun?!
Vier Punkte dazu:
1. Wir müssen den öffentlichen Raum so gestalten, dass ältere Menschen mit Sehbehinderung, Hörminderung und mit Rollator sich noch auf die Straße trauen.
Die stresserzeugenden, zu kurzen Grünphasen an den Ampeln müssen für die alten Menschen länger werden. Bei der Schneeräumung muss man mitbedenken, dass der alte Mensch mit seinem Rollator nicht über Schneematschhaufen drüberfahren kann.
Wir brauchen Sitzbänke zum Ausruhen in der Stadt. Wir brauchen mehr saubere öffentliche WC-Anlagen, damit sich auch Menschen mit Inkontinenz aus der Wohnung trauen. Und wir brauchen Trinkbrunnen, an denen sich die alten Menschen erfrischen können, wenn es heiß ist.
2. Wir brauchen im öffentlichen Raum Menschen, die wissen, wie mit an Demenz erkrankten Menschen umzugehen ist. Wir können die Polizei, die Feuerwehr, die Straßenbahnfahrer:innen und Busfahrer:innen, Bankbeamt:innen und alle Interessierten in Fortbildungen schulen, damit sie wissen, wie sie damit umzugehen haben, wenn ein alter Mensch nicht ganz so wie erwartet agiert und reagiert.
3. Wir brauchen organisiertes, begleitetes Ehrenamt!
Dem alten Nachbarn den Rasen mähen. Der alten Nachbarin beim Einkaufen was mitbringen und sich beim Übergeben des Einkaufs Zeit für einen Kaffee nehmen.
Wer sich einbringt, damit das Zusammenleben gelingt und die Einsamkeit bekämpft wird, soll dafür gratis die Saunaoase besuchen dürfen oder sich jede neue Ausstellung im Lentos gratis ansehen dürfen. Werden wir hier kreativ!
4. Wir brauchen Generationenwohnen in der Stadt! Nicht die ewig gleichen Wohnungen anbieten, sondern einen bunten Mix: Kleine "Starterwohnungen" für junge. Leistbare Wohnungen für Familien. Und dann barrierefreie Wohnungen für alleine lebende ältere Singles. Diese Wohnungen sollen angeordnet sein um Gemeinschaftsräume, in denen man sich treffen kann, gemeinsam kochen, Karten spielen, vor'm Fernseher sitzen kann.
Oder: Schaffen wir Wohngruppen, in denen Single-Senioren zwar für sich leben, sich aber in Gemeinschaftsräumen treffen können. Und wo auch Raum für die betreuende Pflegeperson schon mitgedacht wird.
Anstatt die Menschen mit Zuschüssen im Alter zu alimentieren und sie im Heim unterzubringen, müssen wir ein selbstbestimmtes Leben fördern. Wer selbstbewusst und selbstbestimmt alt wird, wird kein Opfer der Einsamkeit, erspart sich ein Leben in Abhängigkeit und nicht zuletzt der Kommune Geld."
Renate live erleben: einfach youtube Video klicken!
Autorin: Linz+
18.12.2021
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